Vorgespannte Platten aus wiederverwendetem Beton oder Stein

In der Schweiz werden jährlich rund vierzig Millionen Tonnen Beton verbaut[1], was ihn mit einem Marktanteil von über 80 Prozent zum dominierenden Baustoff macht.[2]

Trotz seiner hohen Umweltkosten bleibt Beton in Bezug auf Leistung und technische Kontrollierbarkeit unübertroffen. Die Tragstruktur eines Neubaus verursacht etwa 40 Prozent seiner gesamten CO₂-Bilanz[3], besonders die Decken, die zu den am schwersten zu dekarbonisierenden Bauteilen zählen. Obwohl das Interesse an zirkulären und CO₂-armen Lösungen wächst, ist die strukturelle Wiederverwendung von Beton nach wie vor selten. Meist wird er entweder zu Zuschlagstoffen für neuen Beton zerkleinert – was die emissionsintensive Zementproduktion, die rund 70 Prozent des ökologischen Fussabdrucks ausmacht4], nicht adressiert – oder auf Deponien entsorgt.

[1] Matasci et. al. (2021). [2] Société Suisse des Entrepreneurs SSE (2021). [3]-[4] Haber et. al. (2020).
Marktanteile der Baustoffe in der Schweiz (Société Suisse des Entrepreneurs SSE, 2021).

Lösung

In Zusammenarbeit mit der Genossenschaft 2401, VSL Schweiz und Marti Bau haben wir einen Ansatz entwickelt, um das Zerkleinern von Beton zu vermeiden, indem wir Naturstein oder bestehenden Beton direkt wiederverwenden: Was wäre, wenn wir mineralische Bauteile mit niedrigem CO₂-Fussabdruck aus Steinbrüchen oder rückgebauten Gebäuden zuschneiden, zusammensetzen und vorspannen würden, um ein neues modulares Deckensystem zu schaffen?

Dank des Projekts Viva des Kantons Waadt und der Unterstützung durch den Fonds zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (SPEI) konnte das Konsortium vier Prototypen entwickeln, produzieren und testen: drei vorgespannte Segmentdecken aus rezykliertem Beton und eine aus Naturstein. Die Prototypen aus rezykliertem Beton zeigten eine höhere mechanische Leistung (Steifigkeit) als neue Stahlbetondecken und reduzierten die CO₂-Bilanz um über 60 %. Dies ebnet den Weg für eine kreislauforientierte, kohlenstoffarme und ressourcenschonende Bauweise.

Die Steinplatte wiederum nutzt die hohe Druckfestigkeit dieses Materials, die bei bestimmten Graniten bis zu 180 MPa erreichen kann – deutlich über den Anforderungen für Beton. Da Naturstein jedoch anisotrop ist, hängen seine Eigenschaften von der Belastungsrichtung ab und erfordern spezifische Analysen, um Versagensarten wie Delaminierung entlang der Schichtungsebenen zu vermeiden.

Rigidité et Emissions GES (Pathé, et. al., 2025).

Und jetzt?

Nach erfolgreichen technischen Ergebnissen, einem validierten Proof of Concept und der Veröffentlichung der Resultate im wissenschaftlichen Artikel CISBAT[5], erarbeitet das Konsortium derzeit mit Unterstützung des Circular Building Industry Innovation Booster von InnoSuisse einen Gestaltungsguide für Bauherr:innen und Planer:innen.

Um technische und logistische Herausforderungen bei Rückbau und Wiederverwendung zu überwinden, schlägt das Projekt ein standardisiertes System zur Materialgewinnung und -vorbereitung vor – inspiriert von bewährten Bauverfahren. Die Elemente stammen aus einem Rastermodul von 2,4 m × 2,4 m, werden mit einfachen Werkzeugen wie Strassensäge und Presslufthammer bearbeitet und anschliessend nach normierten Verfahren zusammengesetzt und vorgespannt. Diese Standardisierung erleichtert die Reproduzierbarkeit und Industrialisierung im Sinne einer kreislauforientierten Bauweise.

[5] Pathé, et. al. (2025).

Zusätzliche Informationen

Der Projektleitfaden enthält Informationen zum Kontext und den Herausforderungen, zur vorgeschlagenen Lösung, zu den Projektphasen sowie zu den Ergebnissen in Bezug auf Steifigkeit und CO₂-Reduktion.

Projektleitfaden herunterladen (PDF) (2,6 MB)

Quellen 

Habert G., Miller, S. A., John, V. M., Provis, J. L., A. Favier, A., Horvath, A., & Scrivener, K. L. (2020). Environmental impacts and decarbonization strategies in the cement and concrete industries. Nature Reviews: Earth & Environment, 1, 559-565. https://doi.org/10.1038/s43017-020-0093-3

Matasci, C., Gauch, M., Böni, H., & Wäger, P. (2021). The Influence of Consumer Behavior on Climate Change: The Case of Switzerland. Sustainability 2021, 13 (2966). https://doi.org/10.3390/su13052966

Pathé, J., Gilbert, P. L., Schirmer, R,. Lasvaux, S., & Paquier, A. (2025). Prestressed segmental slabs in reclaimed concrete or stone: a systemic and effective solution for sustainable floors. Journal of Physics: Conference Series 3140 (2025) 162006. https://doi.org/10.1088/1742-6596/3140/16/162006

Société Suisse des Entrepreneurs SSE. (2021). Étude sur les matériaux de construction utilisés en Suisse. Société Suisse des Entrepreneurs SSE Politique et Communication. https://shop.baumeister.ch/shop/document_download.php?document=%C3%89tude_mat%C3%A9riaux-de-construction_web_FR.pdf

Kontakt

Bei Fragen zur Integration von Nachhaltigkeit in Ihre Projekte wenden Sie sich gerne an unsere Nachhaltigkeitsexpert:innen unter: sustainability@ittenbrechbuehl.ch.