Wettbewerb

2020

Auftraggeber

Halter AG, Bern

Architekt

Itten+Brechbühl AG

Visualisierungen

Itten+Brechbühl AG

Pläne

Itten+Brechbühl AG

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Worb, Schweiz

Entwicklung Sternen

Willkommen in der Wydenmatte!

Reden wir zunächst über städtebauliche Aspekte. Stellen wir uns die Frage, was ist die richtige Typologie für diesen Ort? Um das herauszuarbeiten, müssen wir uns einmal umschauen, müssen alle Faktoren betrachten, die auf dieses Grundstück einwirken.

Wir befinden uns hier in der Wydenmatte am südlichen Saum von Worb. Hier hört das Dorf auf. Gegen Süden erhebt sich steil der Wyslenberg, eine natürliche Barriere, die das Weiterwachsen von Worb an dieser Stelle nicht erlaubt. Diese topografische Erhebung bildet gleichsam die Simultanität zur Erhebung des Schlosses im Norden.

Ferner liegt das Grundstück in dem Gürtel südlich der Bernstrasse, das sich nur zögerlich und in einem recht heterogenen Muster entwickelt hat.

Ein Blick auf die allgemeine Bebauungsstruktur von Worb. Wir finden überwiegend – die Gewerbebauten einmal ausgenommen – eine kleinteilige Körnung; hier und da zeigen sich in grösseren Zusammenhängen Spuren zeitcharakteristischer Typologien: Darunter prominent die neueren Bebauungen gegen den südöstlichen Ausläufer von Worb, dichter gestellt mit Flachdächern, und die Mehrfamilien- und Reihenhäuser aus den 60er und 70er Jahren gegen den Hang hinauf im Norden. Und in unserem Gebiet, südlich der Bernstrasse sind verschiedene Anlagen und Gebäude in verschiedenen Massstäben und Nutzungen angeordnet, ein bisschen hiervon, ein bisschen davon.

Wir sehen: die Kleinteiligkeit der Struktur ist dominierend!

In unmittelbarer Nachbarschaft, angrenzend an unseren Bauplatz befindet sich im Osten die weitläufige Liegefläche des Freibads, im Süden die Worble und, wie erwähnt, der steil aufsteigende Wyslenberg, im Westen ein langgestrecktes genossenschaftlich organisiertes Wohngebäude und ein transformiertes Bauernhaus und schliesslich im Norden der historische, denkmalgeschützte Sternen.

Wir sehen: Jeder Nachbar hat seinen eigenen Charakter!

Daraus ergeben sich die Fragen: Welchen Charakter sollte nun unsere zukünftige Bebauung haben? Welches städtebauliche Muster ist für den Ort und die Nutzung die richtige?

Erste Überlegungen: Nicht konfrontativ als eher durchlässig. Ein stabiles Ensemble mit eigenen Qualitäten. Eine Worb entsprechende Körnung. Eine dazu passende Freiraumgestaltung Eine Worb entsprechende Materialisierung. Eine auf die Zielgruppe abgestimmte Typologie.

Geschlossene Ensembles, bzw. durch Baukörper nach aussen hin stark abgegrenzte Siedlungsräume gibt es in Worb kaum. Warum sollte man sich ausgerechnet hier von der Umgebung abschliessen? Auch der Einfluss der benachbarten Badi ist massgeblich; jede überzogene Konfrontation, etwa in Gestalt eines langen, direkt gegen die Badeanstalt ausgerichteten Riegel verbietet sich. Auch ein baulicher Abschluss gegen den Naturraum im Süden ergibt keinen Sinn und gleichfalls nicht gegen die Nachbarn im Westen. Und im Norden ist der Sternen und der Generationenspielplatz Teil des neuen Quartiers.

Die Struktur, die man für diesen Ort wählt, muss unserer Meinung nach offen sein!

Wir reden also von einer horizontalen und vertikalen Durchlässigkeit, ohne die Zusammengehörigkeit, die Einheit des Ensembles zu schwächen.

Daraus folgt, dass längere Zeilenbauten, die sich sowohl ostwestlich als auch nordsüdlich erstrecken oder auch sich nach hier und da krümmen, uns für diesen Ort problematisch erscheinen.

Um all die aufgeführten Qualitäten zu erreichen, denken wir, dass der Punkt an diesem Ort die richtige Antwort ist! Der Punkt ist eine spannende leistungsfähige Typologie, die allerdings einen sorgfältigen Umgang beansprucht, damit sie ihre ganze Qualität ausspielen kann. Es ist das Zusammenwirken vieler Faktoren, von der genauen städtebaulichen Anordnung, der Dichte, der Materialisierung, der Ausgestaltung von Aussen- und Zwischenräumen, das für den einen oder anderen Ausschlag verantwortlich ist.

Nähern wir uns der Aufgabe nun einmal von einem anderen Standpunkt:

Da es eine starke Wechselwirkung zwischen der Gebäudetypologie und der Stimmung, die in einer Überbauung erzeugt wird, gibt, stellt sich die Frage: Für wen möchte man hier eine Adresse schaffen, wer wird zukünftig in der Wydenmatte wohnen?

Laut Programm sind die Zielgruppen für die zukünftige Überbauung Menschen in der dritten Lebensphase und, im Mietwohnbereich, Familien, was nach einer Gestaltung verlangt, die beiden Anforderungen gerecht werden muss.

Menschen, die sich entscheiden, in der Wydenmatte die dritte Lebensphase zu verbringen, suchen in der Mehrheit die Ausgewogenheit. Die Wohnsituation soll Ruhe und Abwechslung bieten, Anregung und Vertrautheit. Soziale Gemeinschaft ohne sozialen Zwang, Identität ohne Exaltiertheit.

Und für die Familien? Nun, für Familien sind die Wohnbedingungen in der Wydenmatte ideal! Allein der Generationenspielplatz ist ein optimales Angebot, aber ebenso die benachbarte Badeanstalt, der Bach und der Naturraum, der sich im Süden anschliesst, als dies schafft traumhafte Bedingungen für Eltern und Kinder.

Machen wir einmal einen Spaziergang zu unserer Wohnung:

Vom Zentrum Worb kommend, beginnt die Choreografie dieses neuen Quartiers beim Zugang, der uns von Norden her neben dem Sternen entlangführt. Hier treffen wir zunächst auf einen von allen Seiten zugänglichen Platz, der gleichzeitig mit seinen anliegenden Flächen als Generationenspielplatz mit Bouleflächen, Rasenfeld und Geräten ausgestaltet ist.

Hier ist zugleich der öffentlichste Bereich der Wydenmatte, und der Ort ist ein Angebot zur Freizeitnutzung an die weitere Nachbarschaft (und darüber hinaus). Das Zentrum dieses Platzes wird mit einer Aufweitung des Bächus hervorgehoben. Hier und entlang des Bächus kann Natur und Wasser unmittelbar erfahren werden.

Gleichzeitig mit der Anordnung des Platzes wird die Südseite des Sternen freigespielt, und es wird ihm auch auf dieser Seite eine Adresse gegeben. Somit bietet es sich für das Restaurant an, seine gegen Süden ausgerichtete Terrasse zu erweitern und sie von dieser Seite aus zugänglich zu machen. Dies ist eine Bereicherung sowohl für das Restaurant Sternen als auch für den neu geschaffenen Platz!

Mit seinem naturnah gestalteten Bachraum, dem mit Bäumen bestandenen Quartiersplatz, einem Generationenspielplatz und der grosszügigen Spielwiese werden zahlreiche Aufenthalts- und Spielorte geschaffen, die auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen gleichermassen eingehen.

Vom Generationenspielplatz aus kann man sich entweder in die umliegende Nachbarschaft verteilen, oder in die neue Überbauung eintreten. Der Generationenspielplatz bildet die Übergangszone zur Wohnüberbauung. Wir gleiten hier über die Schwelle von öffentlich zu halböffentlich und betreten das Herz der Wydenmatte.

Die sanft geschwungene Bewegungsfläche, die durch die Siedlung führt, wird beidseitig durch ein Band eingefasst. Dieses erhebt sich bei den Eingangssituationen der Häuser oder bei dem neuen Siedlungsplatz fliessend vom Boden auf eine Sitzhöhe. Die grosszügigen Sitzflächen, aber auch die Gemeinschaftsgärten zwischen den Häusern ermöglichen die Interaktion mit den Bewohnern und eine Aneignung des Siedlungsgrüns.

Der Weg taucht, die Atmosphäre des Generationenspielplatzes hinter sich lassend, zwischen die Häuser und befinden uns nun in einer anderen Welt mit einer anderen Stimmung.

Ein harmonisch komponierter Ort, in dem die Baukörper nicht zu nah, nicht zu weit, nicht zu wild, nicht zu streng sich um einen gemeinschaftlichen Platz organisieren. Die Gebäude werden so gesetzt, dass sie ein Ensemble ergeben, das heisst, ein jedes hat, anders als bei einer blossen Reihung, wo der Baukörper sich nur mit dem vorderen und hinteren Nachbarn beschäftigt, einen Bezug zur Gesamtanlage. Sie stehen auf einer Wildwiese (Matte), die von Bäumen gesprenkelt ist und sind angeschlossen an ein weich geschwungenes Wegenetz, das die Bewohner zu ihren Eingängen oder eben aus der Siedlung hinausführt.

Diese Wege werden begleitet und akzentuiert von Hügelbeeten, die, durchaus in Eigenleistung der Bewohner, sich zu stimmungsvollen Bepflanzungskompositionen konzentrieren. Die Gebäude selbst, die sich rund um uns aufbauen, sind fein ausgearbeitet; sie zitieren frei Elemente des traditionellen Holzbaus mit seinem steinernen Sockelgeschoss und dem darüber aufragenden, gegliederten Holzbau, der Lochfensterfassade und dem überstehenden Dach.

Wir stehen nun hier auf einen Platz, der das Zentrum der Wohnanlage bildet und der sich wiederum, den Treppenaufgang aus der Tiefgarage überschirmend, selbst noch einmal mit einem sonnen- und regenschützenden Baldachin akzentuiert.

Dieser Platz ist der privatere Aufenthalts- und Spielbereich für Alt und Jung unter den Bewohnern. Hier können auch Siedlungsfeste veranstaltet werden. Hier begegnen sich die Nachbarn, kommen zu einem Plausch zusammen. Autos können uns hier nicht stören, denn

durch die Situierung der Ein- und Ausfahrt der Einstellhalle an der Mattenstrasse, wird das gesamte Areal autofrei. Fussgänger und Radfahrer können somit gefahrenlos das Areal durchqueren. Stellplätze für Velos werden zum einen im UG angeboten sind aber auch dezentral auf der gesamten Parzelle verteilt.

Nun ziehen wir den Schlüssel aus der Tasche und betreten unser Haus. Wir wohnen in einer der oberen Wohnungen, die sich dreiseitig gegen Westen, Norden und Osten ausrichtet. Da es Sommer und noch früh am Abend ist, öffnen wir weit die Balkontüren und lassen uns, vom Tagwerk leicht ermattet, dort mit einem Getränk auf einem bequemen Stuhl nieder. Unter uns schauen wir in den wohlgestalteten Park der Wydenmatte, wo Weiden als Ufergehölz den Gewässerraum charakterisieren und die Siedlungsachse von Gehölzen mit besonderen jahreszeitlichen Akzenten begleitet wird und Strauchgruppen zu den Nachbargrundstücken Sichtschutz bieten. Eingerahmt wird alles von einer artenreichen und standortgerechten Mischung aus grosskronigen Laubgehölzen. Diese Neupflanzungen ergänzen und verjüngen optimal die bestehenden Nadelbäume in der Nähe des Bachraums am Quartiersplatz und die 120-Jährige Buche an der Bernstrasse. Unten auf dem Siedlungsplatz sieht man hier und da einen Nachbarn kommen oder gehen, weiter weg hört man das Gezwitscher der Kinder vom Generationenspielplatz herüberwehen. Dann richtet sich der Blick in die Ferne zum Kirchturm, der sich aus den tiefergelegenen Häusern von Worb streckt und just sechs Mal die Glocke schlägt. Dann wandert unser Blick weiter den Hang hinauf, und ruht zuletzt auf dem Schloss Worb, dessen ältesten Teile seit über 890 Jahren diese Gemeinde haben heranwachsen sehen.

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